Learnings und Trends aus der Krise – CYP

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Es wird eine Zeit nach Corona geben, auch wenn sie momentan noch in weiter Ferne scheint. Werden wir dann einfach so weitermachen wie vorher? Oder nutzen wir die Krise, um aus ihr zu lernen? 10 Trends, die das Potenzial haben, unsere Gesellschaft nachhaltig zu verändern, zeichnen sich ab.

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# Das neue Normal – Was wir aus der Krise lernen können

Wir leben und arbeiten in einer Welt, die anders aussieht als vor einem Jahr. Das Coronavirus ist noch nicht verschwunden. Die neue Normalität nimmt langsam Form an.

Laut Zukunftsforscher Matthias Horx[^1] ist die Coronakrise eine Tiefenkrise, die Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft verändert. Viele Menschen haben in den letzten Monaten die Doppelfunktion einer Krise erlebt: Die Pandemie hat etwas zerstört und gleichzeitig einen neuen Beginn gefordert und gefördert. Krisen haben oft paradoxale Wirkungen – aus Schrecken kann Aufbruch werden, aus Angst kann der Mut entstehen, gemeinsam mit anderen etwas Neues aufzubauen. Krisen können Menschen und soziale Zusammenhänge stärken. Im Lockdown haben viele eine neue Form der Selbstwirksamkeit erlebt, mit der sie ihr verändertes Leben bewältigt haben. Diese Erfahrung ist mit einem inneren Aufbruch zu vergleichen.

[^1]: Matthias Horx, «Die Zukunft nach Corona: Wie eine Krise die Gesellschaft, unser Denken und unser Handeln verändert», Ullstein Buchverlage, 2020

Die Krise birgt die Chance, die Denkweisen und Gefühlswelten vieler Menschen zu verändern. Das Ergebnis kann ein anderes kollektives Mindset sein, ein neues Epochenbewusstsein. Wohin geht die Reise? Wir haben 10 Trends aufgespürt.

Die meisten dieser Trends sind schon länger zu beobachten; die Pandemie hat sie beschleunigt, zum Teil rasant.


# 1.	Arbeitsmarkt trifft auf neue Herausforderungen
Viele Schweizer Unternehmen haben erstaunlich schnell und gekonnt auf die Bekanntgabe der ausserordentlichen Lage reagiert. Der Arbeitsmarkt steht aktuell vor einer grossen Herausforderung. Im 2. Quartal 2020 haben Unternehmen 27% weniger Stellen als kurz vor der Coronakrise ausgeschrieben – so lautet das Ergebnis des Adecco Group Swiss Job Market Index.[^2] Alle Berufsgruppen erleben einen Einbruch, jedoch in unterschiedlichem Ausmass. Die Stelleninserate für Berufe von Technik und Naturwissenschaften (-17%) sowie von Bau und Ausbau (-18%) sind am wenigsten eingebrochen, während die Stelleninserate in Gastgewerbes und persönlichen Dienstleistungen (-39%) am stärksten zurückgingen.

[^2]: Adecco Group, [Swiss Job Market Index](https://www.stellenmarktmonitor.uzh.ch/de/indices/asjmi.html), 2020

Zudem wird ein massiver Stellenabbau durch die Digitalisierung erwartet, die auch das Verschwinden ganzer Berufe mit sich bringen wird. Gleichzeitig entstehen neue Berufsfelder und erfordern Kompetenzen, die in aktuellen Ausbildungen noch nicht berücksichtigt werden. Dies macht sich in der Praxis bemerkbar, wie das Bundesamt für Statistik[^3] untersucht hat: Mehr als 50% aller Unternehmen in der Schweiz bekunden Schwierigkeiten, auf dem Arbeitsmarkt geeignete Fachkräfte zu finden. Bei den Grossunternehmen sind es sogar rund 75%.

[^3]: Bundesamt für Statistik, [Fachkräfte für die Schweiz](https://www.datocms-assets.com/25771/1600414852-blog-4-fachkraefte-fuer-die-schweiz-de200918.pdf), 2011

Zu ähnlichen Schlüssen kommen internationale Analysen. Gemäss einer Trendanalyse[^4], die der Beratungskonzern PwC jährlich durchführt, sehen rund 80 Prozent der CEOs die Schwierigkeit, benötigte Kompetenzen im Betrieb sicherzustellen, als Risikofaktor für ihr Unternehmen. Am meisten befürchten Führungspersonen Einbussen bei der Innovationskraft ihres Unternehmens. Die Lösung sehen sie im Upskilling – im Entwickeln von neuen Kompetenzen in der aktuellen Rolle – sowie im Rekrutieren von neuen Mitarbeitenden.

[^4]: PwC, [PwC US CFO Pulse Survey](https://www.techrepublic.com/article/80-of-cfos-are-considering-cost-containment-measures/), 2020

# 2.	New Work verbreitet sich rasant
Weltweit sind ganze Teams vom Grossraumbüro ins Homeoffice gezügelt, um sich und andere vor der Pandemie zu schützen. Aus Veranstaltungen wurden virtuelle Konferenzen und Meetings fanden ganz selbstverständlich online statt. Dass der Wandel so schnell passiert, hätte vorher kaum jemand für möglich gehalten.

Vor allem Anwendungen wie Zoom, Microsoft Teams und Google Hangouts profitieren von der neuen Art des Zusammenarbeitens. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Lösungen dauerhaft beliebt bleiben, auch wenn die Ansteckungsgefahr wieder sinkt. Laut einer Studie von Gartner[^5] möchten zwei Drittel der Mitarbeitenden künftig lieber von zuhause arbeiten und Teammeetings in der virtuellen Welt abhalten. New Work kommt gut an.

Die Coronakrise hat unsere Arbeitswelt schon jetzt revolutioniert und auch für mehr Führungsintelligenz, Empathie und Selbstbestimmung gesorgt.

Die Revolution wird weitergehen. New Work bedeutet auch, Altes loszulassen. Im Arbeitsalltag der Zukunft werden Vertrauen in andere und Selbständigkeit zu wichtigen Eigenschaften. Mitarbeitende werden gefordert, unternehmerisch mitzugestalten und gefördert, ihr ganzes Potenzial zu entfalten. Sie sollen maximale Freiräume erhalten, in denen sie Neues erproben können. Auch die Zusammenarbeit wird sich verändern: Teams arbeiten vernetzt und agil, selbstorganisiert und selbstbestimmt. Wissen wird geteilt, so dass Mitarbeitende und Unternehmen wandlungsfähiger werden. Wir dürfen uns darauf vorbereiten, dass Unternehmen dank weniger Hierarchie auch weniger Führungspersonen benötigen. Fachliche Autorität wird umso mehr gefragt.

[^5]: Gartner, [9 Future of Work Trends Post-COVID-19](https://www.gartner.com/smarterwithgartner/9-future-of-work-trends-post-covid-19), 2020

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# 3.	Kein Weg führt an Innovation vorbei
Die Coronapandemie ist einer jener Schocks, die Unternehmen zu Innovationssprüngen treiben können, für die sie bisher zu wenig kreativ und disruptiv waren – aus Angst vor Veränderungen. Wenn Lieferketten zusammenbrechen und Mitarbeitende in Quarantäne zuhause sitzen, erscheinen die Digitalisierung und die vierte industrielle Revolution plötzlich viel attraktiver. Die digitale Transformation hat eine Vielzahl von Wachstumschancen und Herausforderungen mit sich gebracht. So hat sich die Art und Weise, wie wir über Wettbewerb denken, erheblich verändert, da die Wettbewerbsbedingungen in vielen Branchen auf den Kopf gestellt wurden – für Banken und Energieversorger, Telekommunikation, Medien, Konsumgüterindustrie, Musik und Unterhaltung, Gesundheit und Tourismus, Hotellerie und Mobilität.

Corona wird zum Beschleuniger der digitalen Transformation und verändert die Märkte nachhaltig. Die Hürden für diese Transformation wie starre Strukturen, Kompetenzlücken und Zurückhaltung auf Führungsebene, sind plötzlich ausser Kraft gesetzt. Digitalisierung ist mehr als ein Trend. Es geht um einen Prozess der sozialen und kulturellen Veränderung, um eine neue Art von Führung und Strategie. Die meisten Unternehmen müssen sich nach der Krise deutlich mehr anstrengen und sich neu erfinden – oder sie riskieren zu verschwinden.

# 4.	Resilienz schlägt Effizienz
Es gibt Menschen, die wir für ihre mentale Stärke bewundern. Sie bleiben auch in Krisen besonnen, wenig emotional und strahlen Optimismus aus. Diese Menschen haben eine hohe psychische Widerstandskraft – sie sind resilient.

In unserer hochdynamischen Welt ist Resilienz ein entscheidender Vorteil. Denn Freiheiten und Möglichkeiten bedeuten oft auch mehr Stress im Umgang mit dem Unerwarteten. Resilienz beschreibt den selbstbewussten Umgang mit Unsicherheit und Komplexität, wozu auch Selbstdisziplin und Selbstorganisation gehören. Das Ziel ist eine Kultur der Offenheit, in der Spielräume entstehen, in denen Kreativität, Experimente und Innovation wachsen können.

Ein gewisser Anteil unserer persönlichen Stressresistenz ist genetisch bestimmt. Die gute Nachricht ist jedoch, dass sich Resilienz wie Muskeln trainieren lässt. Ein resilienter Mensch macht Fehler, steht wieder auf, richtet die Krone und geht weiter.

# 5.	Silver Society – mitten unter uns
Die Altersgruppe der über 60-Jährigen wächst fast überall auf der Welt am stärksten. Im Jahr 2050 wird trotz Corona ihr Anteil zwei Milliarden Menschen ausmachen[^6] – das sind 330% mehr als zur Jahrtausendwende. Die Entwicklung zur Silver Society wird weitreichende Folgen auf allen Ebenen haben: Familie, Gesundheitssystem, Bildung, Mobilität, Konsumverhalten, urbane Entwicklung und natürlich die Arbeitswelt 4.0 werden betroffen.

[^6]: Dr. Thomas Würzberger, [Corona zeigt auf: Generationen müssen zusammenarbeiten](https://thomaswuerzburger.com/blog/corona-zeigt-auf-generationen-muessen-zusammenarbeiten/), 2020

Bereits 2024 soll der Anteil Erwerbstätige, die 50 Jahre und älter sind, 40% ausmachen.[^6] Wir werden in Teams arbeiten, in denen beinahe die Hälfte der Teammitglieder 50 plus sein wird. Gemeinsam werden wir Strategien ausarbeiten, wie Künstliche Intelligenz dem Unternehmen Vorteile bringen kann, welche Digitalisierungsmassnahmen voranzutreiben sind und wie New Work zu mehr Produktivität führt. All diese diversen Themen werden nicht nur in den Köpfen der jungen Wilden entstehen. Erfahrene Mitarbeitende werden mitreden und mitgestalten. Darum ist es wichtig, das Potenzial der Silver Society intelligent zu nutzen.

# 6.	Onlineshopping boomt
Geschlossene Fachgeschäfte, Ausgangsperren, Lieferengpässe, grosse Unsicherheit – in den letzten Monaten kam es in den meisten Branchen zu grossen Verlusten. Doch nicht alle Unternehmen sind gleichermassen betroffen. Reine Onlineunternehmen trifft die Krise weniger hart. Die Schweizerische Post musste Sonderschichten einplanen, um all die bestellten Pakete auszuliefern. Der Onlinelebensmittelhandel könnte auf Dauer ebenso wie weitere Onlineshops von der Coronakrise profitieren. Auch Menschen, die vorher nur zögerlich online eingekauft haben, haben sich in den letzten Monaten von den Vorteilen überzeugen lassen.

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# 7.	Ohne Technologie geht nichts mehr
Beim Onlineshoppen sind die Menschen offen gegenüber neuen Technologien. Für 59% spielt es keine Rolle, ob sie von Mensch oder Maschine beraten werden, sofern der Service stimmt.[^7]

Während der Pandemie haben viele neue Wege gefunden, Kontakte zu pflegen. Die Mehrheit der Befragten hat Freude daran, sich nach Feierabend in einer Videokonferenz mit Freunden zu treffen oder online neue Leute kennenzulernen. Auch Fitness-Streams freuen sich über viele Teilnehmende – dabei werden die Workouts ins Wohnzimmer geholt.
Dagegen verlieren Sharing-Angebote (Bike-Sharing, Car-Sharing, Airbnb) an Attraktivität. Selber etwas zu besitzen, wird wieder mehr geschätzt.

[^7]: PIDAS, Whitepaper [Chatbots – Hype oder Helfer?](https://www.datocms-assets.com/25771/1600422903-blog-4-chatbots.pdf)

# 8.	Bargeld verschwindet aus dem Alltag
Grippeviren halten sich laut einer Studie der Universitätsklinik Genf bis zu zwei Wochen auf Banknoten.[^8] Bargeld ist in der Pandemie weiter auf dem Rückzug. Kundinnen und Kundinnen werden in Geschäften, Restaurants und Museen dazu aufgefordert, kontaktlos und mobil zu bezahlen. Beim Onlineshopping spielt Bargeld sowieso keine Rolle mehr.

[^8]: Swissinfo.ch, [Die Schweiz lernt, ohne Bargeld zu leben](https://www.swissinfo.ch/ger/wissen-technik/nach-corona_die-schweiz-lernt--ohne-bargeld-zu-leben/45721390), 2020

Die App Twint, über die mobil gezahlt werden kann, verzeichnet derzeit nach eigenen Angaben täglich rund 7000 neue Nutzerinnen und Nutzer.[^9] Auch kleinere Händler bieten Twint in ihren Webshops als Zahlungsmittel an. Und in der kleinen Quartierbäckerei kann das Brot per Scannen eines QR-Codes bezahlt werden. Der Einsatz von kontaktlosen und mobilen Zahlungsmitteln schützt Mitarbeitende, Kundinnen und Kunden.

[^9]: Finews.ch, [Corona: Twint will die Gunst der Stunde nutzen](https://www.finews.ch/news/banken/41363-twint-corona-wachstum-geschaeftsleitung-strukturen), 2020

# 9.	Systemrelevante Berufe werden wertgeschätzt
Welche Berufe sind systemrelevant? Wer hält die Infrastruktur am Laufen und wer sorgt dafür, dass wir trotz anhaltender Pandemie weiterhin halbwegs normal leben können? Verkäufer in Supermärkten und Drogerien, Fahrerinnen von öffentlichen Verkehrsmitteln, Postboten und Müllabfuhr haben grossen Respekt verdient – das ist in der Pandemie deutlich geworden.

Menschen, die in Medizin und Pflege arbeiten, sind ins Zentrum der Aufmerksamkeit und Wertschätzung gerückt. Während der Krise sind sie Höchstleistungen sichtbar geworden, die sie immer unter Einsatz ihrer eigenen Gesundheit erbringen. Das Ungleichgewicht von gesellschaftlichem Nutzen und Bezahlung ist offensichtlich und darf sich ändern.[^10]

[^10]: Zeit Online, [Applaus vom Balkon reicht nicht](https://www.zeit.de/arbeit/2020-03/systemrelevante-berufe-coronavirus-pflegekraefte-kassierer-wertschaetzung), 2020 

# 10.	Die neue Wir-Kultur
Die neue Wir-Kultur ist nicht mehr zu übersehen: Überall bilden sich neue Formen von Gemeinschaften, Kollaborationen und Kooperationen. Wie wird die Wir-Gesellschaft von morgen aussehen – und welche Konsequenzen hat sie für Unternehmen, die sich zukunftsweisend organisieren wollen?

Die sozialen Medien spielen eine entscheidende Rolle, denn sie vermitteln uns das Gefühl, mit anderen in einem Boot zu sitzen.

Jüngere gehen für ältere Nachbarn einkaufen, andere nähen Masken und verschenken sie an Pflegeeinrichtungen, gemeinnützige Organisationen verteilen Bücher an Kinder – unsere Zeit ist geprägt von Gemeinschaftsgefühlt. Als Gesellschaft versuchen wir verantwortungsbewusst zu handeln und Risikogruppen zu schützen. Zusammenhalt und Unterstützung werden grossgeschrieben und Nachbarn sind plötzlich keine Fremden mehr, sondern Menschen, mit denen man gemeinsam eine Krise übersteht. Es ist gut möglich und wünschenswert, dass dieses Gemeinschaftsgefühl auch nach Corona anhält.

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# Zukunft entsteht aus Krise

Das alte Normal war eine hektische Zeit, geprägt von der Grösser-Schneller-Höher-Weiter-Mentalität. Und dann kam plötzlich die grosse Stille – am Flughafen, am Bahnhof, in der Innenstadt und im Stadion. Wollen wir wirklich wieder ins alte Normal zurück? Krisen eröffnen immer zwei Möglichkeiten: Sie können zu etwas Neuem führen, das die Zukunft in eine andere Richtung lenkt als erwartet oder sie führen zurück ins bekannte Alte.

Kommen Sie mit und setzen Sie sich auf den Zukunftsstuhl: Es ist September 2021, Sie sitzen in der Herbstsonne in einem Strassencafé und überlegen… Was ist anders geworden? Was womöglich für immer?